Karies

 

Karies und ihre Vorstufen sind ein Dauerproblem in der Kieferorthopädie. Der bakterielle Prozess der Karies beginnt in den ersten Wochen nach den Geburt, da die Mundhöhle unmittelbar nach der Geburt noch keimfrei ist. Karies ist an sehr spezifische Keime gebunden , wie z.B. den Streptococcus mutans, dessen genetisches Profil bei Kindern meist mit dem der Eltern übereinstimmt, d.h. die Keime werden in den ersten Lebensjahren von den Eltern unbewusst auf die Kinder übertragen. Dies erfolgt meist beim Füttern, dem «Heißtest» der Nahrung, dem herunter gefallenen Löffel usw. Viele Möglichkeiten der Infektion sind durch die orale Phase in der frühen Kindsentwicklung gegeben. Bakterien verreisen nicht, machen keinen Urlaub und sind immer an den gleichen Stellen.


Blau angefärbte Beläge sind mehrere Tage alt Rosa angefärbte Beläge sind neue vom gleichen Tag

Bakterielle Prozesse sind Gleichgewichtsprozesse zwischen den Erregern und der körperlichen Abwehr. In der Mundhöhle befinden sich sehr viele Keime, die in einem biologischen Gleichgewicht untereinander leben und einen komplexen Biofilm darstellen. Innerhalb von Stunden wird dieser Biofilm sich immer wieder anordnen und neu organisieren, auch wenn man die Mundhöhle vorübergehend keimfrei machen könnte. Geht so aber nicht. Biofilme sind perfekt aufeinander abgestimmte Lebensräume, in denen sich alle gegenseitig von Vorteil sind und eine hochkomplexe Strukturierung aufweisen, wie man seit noch nicht allzu langer Zeit weiß.
Wird dieses Gleichgewicht gestört, so können einzelne Keime sich stärker entwickeln und krankhafte Prozesse auslösen- wie bei der Karies. Einer dieser Gleichgewichtsstörer sind erhöhte und immer wieder zugeführte Zuckeranteile (Kohlehydrate) in der Nahrung. Ein weiterer Gleichgewichtsstörer sind Nachlässigkeit oder Ungeschicktheit bei der Reinigung der Zähne, da sich dadurch Ansammlungen von Speiseresten an den Zähnen bilden, die den Bakterien beste Lebensbedingungen verschaffen: Wärme (37 Grad Celsius), ausreichend Nahrung (spaltbare Kohlehydrate zur schnellen Energiegewinnung) und Feuchtigkeit.


Laktobakterien nach 48 Stunden Bebrütung auf Spezialnährboden Streptokokken-Nährboden nach 48 Stunden Bebrütung

Diese Lebensbedingungen brauchen Bakterien, um sich in rasanter Geschwindigkeit zu vermehren. Schon drei Stunden nach einer Reinigung bilden sich schon wieder Bakterienbeläge.
Da sich auch andere Bakterien vermehren, wirken bestimmte Arten besonders gut zusammen und verhelfen sich gegenseitig zu Vorteilen in der Entwicklung- im Falle der Karies beispielsweise die Laktobakterien, die Milchzucker sehr gut verarbeiten können und so ein gutes Umfeld für die spezifischeren Streptokokken schaffen. Streptococcus mutans kann Karies bei Übertragung auf einen Zahn direkt und ursächlich auslösen.

 

Was passiert da eigentlich am Zahn ?


Die Zahnoberfläche hat eine Mikrostruktur aus einzelnen Schmelzprismen, die vom komplexen Biofilm überzogen wird. Dieser Biofilm wirkt wie ein Filter - er lässt einfache Zucker in den Biofilm, in dem sich die Bakterien befinden und diese fangen an, den Zucker zu verarbeiten und bauen ihn ab zu Säure- wir Menschen gewinnen aus Zucker viel mehr Energie, da wir ihn bis zu Wasser und Kohlendioxid abbauen können. Bakterien hören eher auf im Abbau und produzieren dabei Säure, die unmittelbar auf dem Schmelz liegt und aus diesem Kalzium an der Oberfläche herauslöst. Aus den tieferen Schichten des Schmelzes kommen Kalziumionen an die Oberfläche und reparieren diese Defekte notdürftig. Das geht solange, bis in den tieferen Schichten dann ein Mangel besteht. Bei Lichteinfall ist die Lichtbrechung des Minerals dadurch anders und wir nehmen das wahr als weiße Flecken im Schmelz. In der weiteren Folge kann dann die Struktur dem kräftigen Kaudruck nicht mehr standhalten und bricht ein. Damit beginnt die Karies für das Auge sichtbar zu werden als «Loch». Bleibt das Loch weiter bestehen, lagern sich Speisereste, Farbstoffe aus der Nahrung und Biofilm darinnen ab, das Loch verfärbt sich. Von nun an arbeiten die Bakterien «geschützt» vor der Zahnbürste weiter, die in dieses kleine Loch nicht hinein kann. Und so wird das Loch größer und größer!


Biofilm mit verschiedenen Bakterien und weichem Belag, in einer Richtung durchlässig für Zucker (semipermeabel) Bildung der Löcher durch Herauslösung der Calziumionen durch Bildung von Säure direkt auf der Schmelzoberfläche

Der Prozess der Kariesbildung wird durch den aus dem Speichel stammenden Bicarbonat-Puffer deutlich verlangsamt, kann aber nicht vollständig aufgehalten werden.
Der Zahnarzt kann diese beginnende Lochbildung schon viel früher durch zwei Eigenschaften der Karies erkennen: Im Röntgenbild entsteht ein keilförmiger Defekt, weil immer weniger Kalzium in der Tiefe da ist und das ist im Röntgenbild erkennbar. Der zweite Effekt ist an der Oberfläche, da sich Fluoreszenzeigenschaften ausbilden, die mit Hilfe des Diagnostik-LASERS angeregt und gemessen werden können. Deshalb wird beim Kieferorthopäden z.B.vor einer Bebänderung exakt nachgeschaut, ob sich solche Prozesse feststellen lassen im Seitenzahnbereich.


Histologischer Schnitt durch kariösen Prozess mit Unterwanderung (mit freundlicher Genehmigung der Firma KaVo) Flügelbissaufnahme mit markierten Stellen der frühen Kariesentwicklung

Diagnostiklaser

 

Ist man dem hilflos ausgeliefert ?


Nein! Unser Organismus hat auch ein Selbstschutzsystem, aber die Zucker-(Kohlehydrat-) Nachlieferung muss begrenzt werden!! Wenn die Zuckernachlieferung aufhört, kann der Speichel mit den in ihm gelösten Kalzium- Ionen ebenfalls wieder eine Reparatur beginnen- die Remineralisierung. Aber er kann bereits vorher schon wirken, indem er die stark anfallenden Säuren im Biofilm abpuffert durch den ihm eigenen Bicarbonatpuffer. Je mehr Säure entsteht, desto mehr Speichel wird produziert und neutralisiert die Säurewirkung. Durch diese Prozesse der Gegenwirkung dauert die Entstehung einer Karies doch sehr lange- das kann vier bis sieben Jahre bis zur Ausprägung dauern. Der eigentliche Beginn eines Schadens liegt also meist schon viel früher.


Abb.a Abb.b
Abb.a : Der Zeitablauf der pH-Entwicklung in der Plaque: Bei Eintritt des Zuckers in die Plaque beginnt die Säureproduktion der Bakterien (Zeitpunkt 0), nach ca. 10 min ist der pH-Wert auf den direkt schmelzauflösenden Wert von pH 5 abgesunken. Die Kalzium-Auslösung hat begonnen. Da keine weitere Zuckeraufnahme erfolgt, nimmt die Säureproduktion nicht mehr zu, sondern wird durch das herausgelöste Mineral gebunden und der pH-Wert steigt wieder an. Nach ca. 20 min Einwirkzeit der Säure hört die direkte Schmelzlösung wieder auf.

Abb.b :

Im zweiten Schema kann man sehen, wie eine wiederholte Zuckeraufnahme jeweils nach 10 Minuten (2. Bonbon, Schokolade, süßes Getränk) die Säureproduktion weiter im direkt schmelzlösenden Bereich verharren lässt, im Beispiel über 60 min.

Werden also einfache Zucker (Glucose, Fructose, Milchzucker, alle Zuckerarten) immer wieder genascht, so kann sich der pH-Wert nicht mehr aus dem sauren Milieu in ein neutrales Milieu erholen, sondern bleibt ständig schmelzauflösend und Karies erzeugend!!!
Deshalb sollten zuckerhaltige Nahrungs- und Genussmittel unmittelbar nach Hauptmahlzeiten eingenommen werden und danach konsequent vermieden werden bis zur nächsten Hauptmahlzeit. Dadurch reduziert sich die schmelzauflösende Säure-Konzentration auf wenige Minuten nach dem Essen.

Wenn es nicht auszuhalten ist ohne «Süßes» - dann machen Sie eine Zuckerorgie einmal am Tag, bei der soviel gegessen werden darf, wie man kann- und danach gibt es – ebenfalls konsequent - nichts mehr!!
Und natürlich: wir können selbst Weiteres dafür tun, gesunde Zähne zu behalten - siehe im Bereich Vorsorge!